
''In Search of Lost Time'' by the French novelist Marcel Proust (1871-1922) is one of the most famous literary works of the 20th century. An excellent 2005 BBC radio dramatisation is online. See link and additional infos in the blogpost
”Lange Zeit bin ich früh schlafen gegangen”. So beginnt einer der berühmtesten Romane des 20. Jahrhunderts. Jetzt als Hörspiel online. Link am Ende des Blogposts. Der Autor schläft mit einem Buch in der Hand ein, träumt von dem Buch, und wacht mit dem Gedanken auf dass das Buch von ihm selbst handelt – also von Marcel Proust (1871-1922). Der Romanzyklus spielt im Frankreich der Belle Époque. Es geht um eine vergangene Epoche und um verlorene und wiedergefundene Erinnerungen von der Kindheit und Jugend des Erzählers. Das Werk, das mit insgesamt über fünftausend Seiten in 7 Bände aufgegliedert ist, hat sich als schwierig zu verfilmen erwiesen. Volker Schlöndorffs Spielfilm Eine Liebe von Swann (1984) basierte auf einer relativ kurzen Episode im Romanzyklus. Die französische, über dreieinhalb Stunden lange Verfilmung À la recherche du temps perdu (2011) von Nina Companeez ist visuell sehr schön, unten ein Foto von den sechs jungen Damen – inklusive Gilberte Swann – aus dem zweiten Romanband der auf Deutsch Im Schatten junger Mädchenblüte heißt. Verfilmungen haben es generell nicht leicht mit Werken die viel inneren Monolog, also Gedanken und Kommentare des Autors enthalten. Dies ist jedoch die Essenz von Prousts Schreibstil, und mein Eindruck ist dass ein aufwendiges Hörspiel wie die BBC-Produktion von 2013 das beste Medium für den Stoff ist. Der innere Monolog funktioniert im Hörspiel z. B. so dass der Erzähler beim Gespräch mit einer Person zwischen deren Sätzen – nur für uns, nicht für seinen Dialogpartner hörbar – seine Gedanken dazu formuliert

Above, a scene from the French TV adaption À la recherche du temps perdu (2011) by Nina Companeez: The six young ladies at the seaside town of Balbec. Clip with film excerpt below
Musik spielt eine wichtige Rolle im Roman, für den Proust den Komponisten Vinteuil erfand, ebenso die fiktive Sonate de Vinteuil für Piano und Geige, die wahrscheinlich von Camille Saint-Saëns’ Violinsonate Nr. 1 d-Moll op. 75 (1885) inspiriert wurde. Im Hörspiel wird eine speziell neu komponierte Musik gespielt die sogar noch melancholischer klingt. Man hört sie im Salon der Madame Verdurin, der von Charles Swann und Odette de Crécy besucht wird. Auch in der berühmten Szene als der Erzähler/ Proust das Madeleine-Gebäck in den Lindenblütentee tunkt, ein Schlüsselmoment durch den plötzlich alle möglichen Kindheitserinnerungen zu ihm zurückkommen. Dieser Moment ist ein Beispiel dafür was Proust die memoire involontaire, die unwillkürliche Erinnerung nannte. Ein Begriff der später von Psychologen und Neurologen aufgegriffen wurde. Das bemerkenswerte Phänomen der menschlichen Erinnerung (Tiere denken zum Beispiel nicht über die Vergangenheit nach) ist in der Tat eins der Kernthemen des Romans. Proust erkundet wie Menschen von Erinnerungen geformt werden und erkennt deren Wichtigkeit. Heutzutage gut bekannte Beispiele dafür wie sehr unsere Identität auf Erinnerungsfähigkeit beruht, sind Erkrankungen wie Alzheimer die starke Veränderungen der Persönlichkeit von Menschen bewirken. Vielleicht ist es diese innovative, hinterfragende Denkweise von Proust die den englischen Schriftsteller Graham Greene veranlasste zu sagen: ‘Proust war der größte Romanautor des 20. Jahrhunderts, so wie Tolstoi es im 19. Jahrhundert war’.
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Marcel Proust: ‘Auf der Suche nach der verlorenen Zeit’ als BBC-Hörspiel online Das Hörspiel In Search of Lost Time. Mit James Wilby (als Erzähler/Proust), Jonathan Firth (als junger Marcel), Deborah Findlay (als Marcels Mutter), Harriet Walter (als Gilberte), Corin Redgrave (als Baron de Charlus), Sarah Kestelman (die Gräfin), Jennifer Piercey (als Odette), Imogen Stubbs (als junge Odette), Zoe Waites (als Albertine), Julian Ovenden (als Robert), Rebecca Smart (als Andree), Kim Wall (Jupien), Simon Treves (Morel) u. a. In weiteren Rollen: Penny Rawlings, Steven Williams u. a. Hier Teil 2 und Teil 3 und Teil 4 und Teil 5 und Teil 6 von insgesamt sechs Teilen. Bearbeitung: Michael Butt. Regie: John Taylor. Produktion vom Jahr 2005
Der ‘Madeleine-Moment’ in einer Verfilmung In folgenden Filmausschnitten sind einige Liebesszenen. Der YouTube-Clip hat im Vorspann den Hinweis, dass manche Zuschauer den Filmclip als unangebracht (also vermutlich nicht jugendfrei) empfinden könnten. Hier die Filmszene aus À la recherche du temps perdu (2011).
Wussten Sie schon? Pink Floyd diskutierte 1972 mit dem französischen Tänzer und Choreografen Roland Petit über eine gemeinsame Ballet-Produktion von Prousts Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Als Floyd anfingen sich mit dem Stoff zu beschäftigen, fanden sie ihn schwierig umzusetzen. Im Endeffekt blieb es dabei dass Pink Floyd Lieder aus ihrem Repertoire spielten, siehe Youtube-Clip, und Petit dazu Tanz choreografierte
Literatur-Reisen Der Ort der Marcel Prousts Inspiration für das Dorf Combray im Roman war ist in der französischen Region Centre-Val de Loire und hieß ursprünglich einfach Illiers, wurde aber aber 1971 zum 100. Jubiläum von Marcel Proust in Illiers-Combray umbenannt. Aufgrund der Verbindung mit Proust, der hier viel Zeit seiner Kindheit verbrachte, ist das Dorf heute eine Attraktion für Literatur-Touristen
Neuigkeiten Februar 2017: Sensationeller Fund der bisher einzigen Filmaufnahme von Marcel Proust, hier Youtube-Clip. Siehe Proust (ab 0:35) im Bowler und grauen Anzug bei einer Hochzeitfeier im 1904 die Treppe herunterkommen. Hier nochmal als Filmausschnitt, mit Proust im Mittelpunkt
Radiofeature In der DLF-Sendung spricht Angela Gutzeit mit Peter Matić über sein Proust-Hörbuch. 19 Min.
Weiterer französischer Literaturklassiker Choderlos de Laclos: Gefährliche Liebschaften als BBC-Hörspiel
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