
If there's a German author with a vague similarity to Emily Brontë it'd be Annette von Droste-Hülshoff (1797-1848) who wrote poems as well as novels. Sadly, her work gets very little attention in Germany in the way of TV or movie adaptions
Es ist der Geburtstag der Schriftstellerin und Dichterin Annette von Droste-Hülshoff (1797-1848). Links im Bild, passend zum Thema des Gedichts, mein Foto von einem bedeutenden steinzeitlichen Megalithgrab, volkstümlich Hünengrab genannt, gleich mehr dazu. Dass in Der Hünenstein (1844) gleich zu Anfang das Wort elektrisch erscheint, machte mich neugierig. Ich dachte dabei unwillkürlich an die Rolle von Elektrizität in Mary Shelleys Frankenstein, dessen Monster durch eben diese Kraft zum Leben erweckt wird. Interessanterweise war Mary Shelley (1797-1851) fast aufs Jahr genau Zeitgenossin von Droste-Hülshoff. In ihrem folgenden Gedicht wird die Heidelandschaft in der sich das Monument befindet, metaphorisch als uralter aber dennoch lebendiger Mann mit elektrischen Funken im Haar beschrieben. Dies ist auf Anhieb nicht ein Ausdruck den man von Droste-Hülshoff erwartet. Der Kontext: Aufgrund von Luigi Galvanis damaligen Konzept der Tierelektrizität, also seinen Experimenten bei denen Strom scheinbar Tiere zum Leben erweckte, war Elektrizität damals ein Synonym, ein Erklärungsversuch für eine bis dato quasi mythische Lebenskraft. In den Zeiten der zunehmenden Aufklärung suchten Wissenschaftler und auch Dichter nach rationalen Erklärungen für, sprichwörtlich, Gott und die Welt. Manche Dichter waren damals wie Wanderer zwischen zwei Welten, Romantik und Aufklärung. Das Gedicht enthält beide Elemente. Mutmaßungen über prähistorische Kulte aber auch praktische, wissenschaftliche Beobachtungen zum Monument.
Der Hünenstein (1844)
Zur Zeit der Scheide zwischen Nacht und Tag,
Als wie ein siecher Greis die Haide lag
Und ihr Gestöhn des Mooses Teppich regte,
Krankhafte Funken im verwirrten Haar
Elektrisch blitzten, und, ein dunkler Mahr,
Sich über sie die Wolkenschichte legte;
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Zu dieser Dämmerstunde war’s, als ich
Einsam hinaus mit meinen Sorgen schlich,
Und wenig dachte, was es draußen treibe.
Nachdenklich schritt ich, und bemerkte nicht
Des Krautes Wallen und des Wurmes Licht,
Ich sah auch nicht, als stieg die Mondesscheibe.
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Kommentar: Der in Gedanken vertiefte Wanderer in der Heide bemerkt anfangs nicht die Natur, den Mond, die Tiere und Pflanzen die ihn umgeben. Die Autorin vergleicht seine Gedankenwelt mit Pfennig-Magazinen. Erst als er in folgenden Strophen stürzt, schaut er sich um und merkt dass er mitten in einem Hünengrab liegt
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Grad war der Weg, ganz sonder Steg und Bruch;
So träumt ich fort und, wie ein schlechtes Buch,
Ein Pfennigs-Magazin uns auf der Reise
Von Station zu Stationen plagt,
Hab’ zehnmal Weggeworf’nes ich benagt,
Und fortgeleiert überdrüß’ge Weise.
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Entwürfe wurden aus Entwürfen reif,
Doch, wie die Schlange packt den eignen Schweif,
Fand ich mich immer auf derselben Stelle;
Da plötzlich fuhr ein plumper Schröter jach
An’s Auge mir, ich schreckte auf und lag
Am Grund, um mich des Haidekrautes Welle.
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In den folgenden Strophen sieht er sich die Steinquader an und hat dabei gemischte Gefühle, von Süße und Grauen. Er stellt sich eine prähistorische Witwe vor die an diesem Ort vielleicht um ihren Gatten trauerte. Porphyr ist übrigens ein geologischer Fachbegriff der Droste-Hülshoffs wissenschaftliches Interesse zeigt
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Seltsames Lager, das ich mir erkor!
Zur Rechten, Linken schwoll Gestein empor,
Gewalt’ge Blöcke, rohe Porphirbrode;
Mir überm Haupte reckte sich der Bau,
Langhaar’ge Flechten rührten meine Brau,
Und mir zu Füßen schwankt’ die Ginsterlode.
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Ich wußte gleich, es war ein Hünengrab,
Und fester drückt’ ich meine Stirn hinab,
Wollüstig saugend an des Grauens Süße,
Bis es mit eis’gen Krallen mich gepackt,
Bis wie ein Gletscher-Bronn des Blutes Takt
Aufquoll und hämmert’ unterm Mantelvließe.
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Die Decke über mir, gesunken, schief,
An der so blaß gehärmt das Mondlicht schlief,
Wie eine Wittwe an des Gatten Grabe;
Vom Hirtenfeuer Kohlenscheite sahn
So leichenbrandig durch den Thimian,
Daß ich sie abwärts schnellte mit dem Stabe.
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Husch fuhr ein Kiebitz schreiend aus dem Moos;
Ich lachte auf; doch trug wie bügellos
Mich Phantasie weit über Spalt und Barren.
Dem Wind hab’ ich gelauscht so scharf gespannt,
Als bring er Kunde aus dem Geisterland,
Und immer mußt ich an die Decke starren.
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Er denkt an den Kraftaufwand der für das Monument nötig war und wer die Menschen waren die es bauten. Er stellt sich, gemäß damaliger Theorien einer keltischen Verbindung zu den Monumenten, eine Druidin vor die mit Runen und Sprüchen einen Tod beklagt. Er beachtet die Himmelausrichtung des Monuments – dort ist der Osten – und stellt sich vor dass sich unter ihm, drei Fuß tief in der Erde, eine Urne mit Asche befindet
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Ha! welche Sehnen wälzten diesen Stein?
Wer senkte diese wüsten Blöcke ein,
Als durch das Haid die Todtenklage schallte?
Wer war die Drude, die im Abendstral
Mit Run’ und Spruch umwandelte das Thal,
Indeß ihr gold’nes Haar im Winde wallte?
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Dort ist der Osten, dort, drei Schuh im Grund,
Dort steht die Urne, und in ihrem Rund
Ein wildes Herz zerstäubt zu Aschenflocken;
Hier lagert sich der Traum vom Opferhain,
Und finster schütteln über diesen Stein
Die grimmen Götter ihre Wolkenlocken.
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Wie, sprach ich Zauberformel? Dort am Damm –
Es steigt, es breitet sich wie Wellenkamm,
Ein Riesenleib, gewalt’ger, höher immer;
Nun greift es aus mit langgedehntem Schritt –
Schau, wie es durch der Eiche Wipfel glitt,
Durch seine Glieder zittern Mondenschimmer.
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Jetzt wird es mystisch, wie wir es von der Autorin von Der Knabe im Moor erwarten, Der Wanderer fragt sich ob er durch seine Anwesenheit einen Zauber heraufbeschwor. Alte Götter, oder zumindest einer von ihnen scheint sich wolkenähnlich zu manifestieren, gleitet durch die Bäume zum Wanderer hinab. Der Protagonist wird übrigens erst in der letzten Strophe mit ‘Herr, es regnet’ als Mann identifiziert. Davor ergeben die quasi-erotischen Zeile ‘Ich harre dein, im heil’gen Bad geweiht; Noch ist der Kirchenduft in meinem Kleide!‘ mehr Sinn für eine weiblichen Erzählerin. Aber dann hat sich unsere Annette wohl doch dafür entschieden dass all dies aus der Fantasie eines Mannes, und nicht von einer Dame des katholischen Adels stammte.
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Komm her, komm nieder – um ist deine Zeit!
Ich harre dein, im heil’gen Bad geweiht;
Noch ist der Kirchenduft in meinem Kleide! –
Da fährt es auf, da ballt es sich ergrimmt,
Und langsam, eine dunkle Wolke, schwimmt
Es über meinem Haupt entlang die Haide.
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Ein Ruf, ein hüpfend Licht – es schwankt herbei –
Und – “Herr, es regnet” – sagte mein Lakai,
Der ruhig über’s Haupt den Schirm mir streckte.
Noch einmal sah ich zum Gestein hinab:
Ach Gott, es war doch nur ein rohes Grab,
Das armen, ausgedorrten Staub bedeckte!
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Was das Hünengrab in meinem obigen Foto betrifft: Ich suchte anfangs nach einem spezifischen Monument das Annette von Droste-Hülshoff kannte und besuchte – was mit Sicherheit der Fall war. Aber ich habe momentan dazu noch keine genauen Angaben. Deshalb wählte ich im Endeffekt ein Monument das ich selber besucht habe und empfehlen kann. Es ist in Wales, in den Preseli-Bergen die man im Hintergrund des Fotos sieht. Interessanterweisie ist Pentre Ifan, so der walisische Name des Monuments, nur ein paar Kilometer von dem Ort entfernt von dem nachweislich die Steine für Stonehenge stammten und von wo sie mit großen Aufwand über Hunderte von Kilometern nach Südengland transportiert wurden. Das Hünengrab Pentre Ifan hat somit eine Verbindung mit einem der größten Rätsel der Megalithkultur.
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Radio-Dokumentationen Das
BR-Feature ‘Annette von Droste-Hülshoff – Springen möcht ich!’ (2021) von Carola Zinner, Länge: 22:37 Min. und ein weiteres
DLF-Feature von 2019 über Annette von Droste-Hülshoff. 55 Min. Mit Dorothea Westphal. Mit Zsuzsa Bánk, Karen Duve und dem Droste-Forscher Jochen Grywatsch
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Biografischer Roman über die Dichterin Annette von Droste-Hülshoff Der Roman
Fräulein Nettes kurzer Sommer (2018) von Karen Duve kann als
Lesung (ca. 15 min.) auf Youtube ausgecheckt werden
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