I saw Rush live 1988 during the Hold your Fire Tour. Typically, a drummer persuaded me to see the band. They surprised me with their enthusiasm, unexpected humour - and an amazing drummer. Above, my vinyl LP of Moving Pictures (1981)

Neil Peart von der kanadischen Progrock-Band Rush starb am 7. Januar 2020 im Alter von 67. Er galt als einer der besten Schlagzeuger der Welt. Ich habe die Band in den 80er Jahren während der ‘Hold Your Fire’ Tour live gesehen und war ziemlich beeindruckt. Vor dem Konzertbesuch, zu dem mich typischerweise ein Schlagzeuger überredet hatte, war ich kein großer Fan. Aber der Enthusiasmus der Band wirkte ansteckend. Im Foto ist meine Vinyl-LP von ‘Moving Pictures’ (1981), einem ihrer besten Alben. Die Nachricht von Pearts Tod überraschte mich denn der Mann schien immer sehr fit zu sein. Dass er mit einem Gehirntumor zu kämpfen hatte, machte er nicht öffentlich bekannt. Abgesehen vom Schlagzeug, schrieb Neil Peart auch so gut wie alle Texte von Rush. Sie sind interessant, vermeiden typische Rock-Klischees. Bei der Auswahl meiner zehn Lieblingslieder gibt es einige Text-Beispiele. Die Band hat ihren eigenen Sound, ist nicht leicht zu ka­te­go­ri­sie­ren. Wer 70er Jahre LPs von Yes, King Crimson oder ELP mag, könnte Rush mögen. Wobei die Stimme von Sänger, Bassist und Keyboarder Geddy Lee, der auf frühen Rush-LPs etwas schrill klingt, von manchen Leuten als gewöhnungsbedürftig empfunden wird. Aber Rush hat sich nie darum bemüht, angenehm oder kommerziell zu klingen. Ich mag die Rush-LPs der 80er Jahre am liebsten, und wähle meine Top-10 Lieder aus dieser Epoche. Reihenfolge chronologisch, wobei Livevideos oft aus späteren Zeiten sind als das ursprüngliche Veröffentlichungsdatum der Lieder.

1. The Spirit of Radio – Album: Permanent Waves (1980) Eins ihrer bekanntesten Lieder. Bei der 2003 Liveversion in ihrer Heimatstadt Toronto, spielt Rush als Intro einige Passagen vom Stones-Song Paint it Black. Der Rush-Song ist eine Hommage an das Radio (‘a friendly voice, a companion‘) und zugleich Kritk an der Kommerzialisierung des Mediums: In den 60er, 70er Jahren konnten viele DJs ihre Musik noch selber aussuchen, inklusive Geheimtipps und ungewöhnlichen Songs. Aber seit Ende der 70er Jahre basieren die meisten Radioshows auf sog. Playlist die vom Management festgelegt und in Rotation gespielt werden. In dem kurzen Interview von 1979 sagt Neil Peart dass die Musik von Rush dazu tendiert, Hörer zu polarisieren, und dass Radiosender deshalb ungern riskieren, Rush zu spielen. Kurioserweise ist The Spirit of Radio der einzige Rush-Song den ich hier an der Costa del Sol, wo es vier, fünf englische Sender gibt, jemals im Radio gehört habe. Als Bühnendekoration bei der Liveversion dienen hier übrigens Waschmaschinen und ein Gartenzwerg

2. Red Barchetta – Album: Moving Pictures (1981) Songtitel bezieht sich auf einen Ferrari 166 von 1948, Neil Pearts Lieblingsauto. Die Lyrics wurden von Richard Fosters Kurzgeschichte A Nice Morning Drive (1973) inspiriert. Der Song, hier ein Video, handelt von einer Zukunft in der Sportwagen aus Sicherheitsgründen verboten sind. Aber der Onkel des Erzählers hat noch ein altes, rotes Exemplar auf seinem Bauernhof in der Scheune. Der Erzähler macht am Wochenende einen geheimen Trip durch die Landschaft und kommt, man staune, heil wieder zurück. Die implizite Kritik an übermäßiger staatlicher Kontrolle ist ein Beispiel für die in frühen Jahren vom Libertarismus geprägten Texte von Neil Peart. In musikalischer Hinsicht gefallen mir die markanten, melodischen Bass-Lines die Geddy Lee zu den Flageolett-Tönen von Alex Lifesons Gitarre spielt

On the back of 'Moving Picitures' LP cover, designed by Hugh Syme, is a kind of 'Making-of' photo of the front cover. Location: The 19th century Ontario Legislative Building in Queen's Park

3. Limelight – Album: Moving Pictures (1981) Der Titel bedeutet Rampenlicht und metaphorisch auch, im Mittelpunkt des Interesses zu sein. Neil Peart, der immer sehr ruhig und reserviert wirkte, schreibt hier über die Entfremdung durch Ruhm: ‘Living on a lighted stage approaches the unreal, for those who think and feel… ’. ‘Das Leben auf einer Bühne grenzt für denkende, fühlende Menschen an Irrealität’- Ein wiederkehrendes Motiv bei Neil Peart, der sich in der Rolle des Rockstars nie besonders wohlfühlte. Im Video, in dem ein einsamer Schäferhund auftaucht, ist der abgelegene, eingeschneite LP-Aufnahmeort namens Le Studio in den Laurentischen Bergen von Québec zu sehen. Musikalisch markant ist das Gitarren-Riff von Alex Lifeson, der dem Progrock-Sound von Rush öfters eine Prise Metal hinzufügt. Um Equipment-Freaks bei Laune zu halten, weise ich auf ein weiteres Detail im Video hin, nämlich Geddy Lees Fender Jazz Bass (Baujahr 1972), den er 1977 für 200 Dollar in einem Pfandhaus kaufte, und der mit der Zeit, speziell ab den 90er Jahren, zu seinem Lieblings-Bass wurde. Was das LP-Cover von Moving Pictures betrifft, ist oben im Bild die Rückseite des Covers zu sehen. Ein Making-Of Foto das zeigt wie das Foto auf der Vorderseite gemacht wurde. Foto-Location war das aus dem 19. Jahrhundert stammende Parlamentsgebäude von Ontario, in Queen’s Park.

4. Subdivisions – Album: Signals (1982) Auf Subdivisions ist Rushs zunehmender Einsatz von Keyboards bemerkbar. Das sollte sich erst wieder in den 90ern ändern als die Band, zur Freude vieler Fans, verstärkt zu einem Hardrock Sound zurückkehrte. Für mich klingt Rush mit reichlich Synthesizer-Begleitung melodischer und atmoshärischer. Wie schafft die Band es, ihre komplexe Musik live zu spielen? Hier, im Video sieht man Geddy Lee multitasking – mit Bass, Keyboards und Mikrofon – auf der Bühne. Neil Pearts Text handelt wieder von Entfremdung und Einsamkeit. Die Einsamkeit von anonymen Vorstädten, Schulen und Einkaufszentren in denen man sich wie ein Außenseiter fühlen kann: ‘Opinions all provided, the future pre-decided, detached and subdivided…Nowhere is the dreamer or the misfit so alone’. Das Wort subdivisions (Wohnsiedlungen) wird im Video von Gitarrist Alex Lifeson gesprochen, aber in Wirklichkeit ist es Neil Pearts Stimme

5. Distant Early Warnung – Album: Grace under Pressure (1984) Das Bild auf dem LP-Cover stammt, wie fast alle Rush-Albumcover, von Hugh Syme, der auch u. a. auch LP-Cover für Dream Theater und Styxs designt hat. Der Songtitel bezieht sich auf die sog. Distant Early Warning Line, eine Kette von Radarstationen an der US-amerikanischen und kanadischen Arktis, die in Zeiten des Kalten Kriegs als Warnsystem für Raketenangriffenaus der Sowjetunion dienten. Neben der Kriegsgefahr scheint Neil Peart hier auch andere Probleme wie Umweltzerstörung zu thematisieren: ‘There’s no swimming in the heavy water – No singing in the acid rain’. Das Video stammt von David Mallet, der u. a. auch Videos für Peter Gabriel, David Bowie, Queen und Jethro Tull drehte. Der Junge der im Video auf einer Rakete reitet ist Geddy Lees Sohn Julian.

6. Big Money – Album: Power Windows (1985) Wieder ein starkes, symbolträchtiges LP-Cover von Hugh Syme. Hinter dem Jungen stehen neuere und antiquarische TV-Modelle im Zimmer. Anspielung auf Medien als Mittel zur Macht? Oder Mittel zur Verdummung? Peart schreibt: ‘It’s the fool on television, getting paid to play the fool’. Um das Thema Macht geht es sicherlich im Lied Big Money, siehe Video, in dem die Band auf einem Monopoly-Brett steht: ‘Big Money…got a heavy hand, take control, got a mean streak, got no soul’. Was die Musik betrifft, kommen trotz markanter Keyboard-Sounds, auch Alex Lifesons Gitarren-Riffs gut rüber – im Video ist er mit Fender Stratocaster zu sehen. Im Interview 2015 mit Rolling Stone Magazine nannte er die Gitarristen die ihn am meisten inspirierten: Steve Howe (Yes), Steve Hackett (Genesis) und David Gilmour.

Canadian rock band Rush: On the left, Geddy Lee (Bass, keyboards & vocals), in the center, drummer and lyric writer Neil Peart (1952- 2020). On the right, guitarist Alex Lifeson

7. Manhattan Project – Power Windows (1985) Song über das militärische Forschungsprojekt in New Mexico. Atmosphärisches Intro mit Wirbeln vom Schlagzeug. Wenn die melancholische Melodie einsetzt, wird klar dass Geddy in der Tat ganz gut singen kann. Der Text, über den Bau der ersten Atombombe, ist eindrucksvoll. 1. Strophe:

‘Imagine a time
When it all began
In the dying days of a war
A weapon that would settle the score
Whoever found it first
Would be sure to do their worst
They always had before… ’
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Hier eine Liveversion von Manhattan Project bei einem Konzert in Dallas während der Clockwork Angels Tour im Jahr 2012. Begleitet von einem dezenten Streichorchester – das bei vielen Liedern auf dieser Tour zu hören war. Benannt nach dem Album Clockwork Angels (2012). Auf diesem 19. und letzten Rush-Studioalbum, wurden Neil Pearts Texte von dem retro-futuristischen Steampunk-Genre inspiriert. Von der Tour gibt es eine DVD mit 31 Liedern und Tour-Doku. Da dies meine DVD-Kaufempfehlung ist, stelle ich davon ebenfalls das epische Lied The Garden (2012) vor.
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8. Time Stands Still – Album: Hold Your Fire (1987) Zurück zu meiner Top-10. Wie anfangs erwähnt, sah ich Rush zu dieser Zeit live, auf der Hold Your Fire Tour, im April 1988 im National Exhibition Center, Birmingham. Hier wurde ich, wider Erwarten zum Rush-Fan. Es gab auf dieser Tour im Mai ’88 übrigens auch zwei Konzerte in Deutschland, nämlich in der Festhalle Frankfurt und in der Hanns-Martin-Schleyer-Halle in Stuttgart. Dieses Album wurde teils als ‘zu sehr in Richtung Popmusik’ kritisiert. Aber ich mag es – abgesehen von dem roten LP-Cover das meinen Augen wehtut und m. E. Grund für den mittelprächtigen kommerziellen Erfolg der LP war. Die Musik ist nämlich gut, speziell dieser Megaklassiker von einem Lied, in dessen Refrain die Sängerin Aimee Mann zu hören – und auch im Video zu sehen ist. Schöne Lyrics von Neil Peart. Sein Wunsch, dass die Zeit stehenbleiben könne, ist nicht schwer nachzuvollziehen: ‘Freeze this moment a little bit longer…Summer’s going fast, nights growing colder, children growing up, old friends growing older…experience slips away…’

Neil Peart's book 'Ghost Rider: Travels on the Healing Road' (2002). Partly memoir, partly a travelogue about his bike trips. And a search for healing, after losing his wife and daughter

9. Drum Solo – A Show of Hands (1989) Schlagzeugsolos sind nicht jedermanns Sache, aber dieses 3:32 Min. Video von Neil Peart live in Aktion sollte man gesehen haben. Auf der Live-LP und DVD A Show of Hands hat der Track den Namen The Rhythm Method und ist länger. Ab 2:20 Min. kommen zu den komplexen Rhythmen melodische Elemente von der Marimba hinzu. Ab 3:00 Min. jazzige Akkorde von Samples die per Schlagzeug abgerufen werden. Man nannte Neil Peart, dessen Namen man Piert ausspricht, nicht ohne Grund ‘The Professor’. Neil Peart benutzte in den letzten Jahren Schlagzeug von der Marke DW (Drum Workshop), Schlagzeug-Felle von Remo, Becken von Sabian, Sticks von Promark. Des Weiteren war Peart Autor und veröffentliche mehrere erfolgreiche Bücher. Eins der besten davon ist ‘Ghost Rider: Travels on the Healing Road’ (2002), oben im Bild. Darin schrieb er über seine Motorradtouren, auf seiner BMW R1100RS, durch Kanada und die USA. Das Buch hat auch den Charakter von Memoiren, mit Storys von den Jahren in Rush. Hier ein Hörbuch-Clip. Wobei die Roadtrips auch einen traurigen Hintergrund hatten: den Tod von Neil Pearts 19-jähriger Tochter Selena, die 1997 bei einem Autounfall starb. 10 Monate später starb, unfassbarerweise, seine Frau Jacqueline an Krebs. Wie der Untertitel des Buchs andeutet, waren die langen Motorradreisen auf der healing road eine Suche nach Heilung und ein Versuch, seinem Leben einen erneuten Sinn zu geben.

10. The Pass – Album: Presto (1989) Rush beendeten die 80er Jahre mit einem ihrer besten Lieder. The Pass, hier das eindrucksvolle Video, behandelt auf einfühlsame Weise das traurige Thema vom Selbstmord junger Menschen. Neil Peart schreibt von jemandem der metaphorisch – vielleicht sogar sprichwörtlich in den Abgrund blickt: ‘And now you’re trembling on a rocky ledge, staring down into a heartless sea, can’t face life on a razor’s edge, nothing’s what you thought it would be’. Er beschwört diesen Menschen, umzukehren und nicht einer düsteren, fehlgeleiteten Romantik vom Freitod zu verfallen. Was die Musik betrifft, sind die melodischen Passagen auf dem Bass, und der Gesang von Geddy Lee eindrucksvoll. Ich hoffe, dass man von ihm und Gitarrist Lifeson, trotz dem Tod von Neil Peart und dem Ende von Rush als aktive Band, auch zukünftig noch die eine oder andere Musikdarbietung hören wird. So weit meine Top-10 von einer ungewöhnlichen Band.

 

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Empfehlung für einen Dokumentarfilm über Rush Es gibt einiges aber bei weitem das beste ist Rush: Beyond the Lighted Stage (2010), hier einige Clips auf Youtube. Neben Interviews mit den Bandmitgliedern persönlich, sind hier Kommentare von Rush-Fans wie Kirk Hammett von Metallica, Mick Box von Uriah Heep, Mike Portnoy von Dream Theater, Trent Reznor von Nine Inch Nails, Taylor Hawkins von Foo Fighters, Les Claypool von Primus, Danny Carey von Tool, und Schauspieler Jack Black. Darüber hinaus ehemalige Rush-Produzenten wie Terry Brown, Peter Collins, Rupert Hine. Der langjährige Rush-Bandmanager Ray Danniels u. v. a.  Länge: 107 Min. Erhältlich auf Englisch (mit deutschen Untertiteln). Hinweis: DVD und Blu-ray sind beim englischen Amazon momentan deutlich billiger zu kriegen als in Deutschland.

Rush in Spielfilmen Neil Peart wird in der Komödie School of Rock (2003) erwähnt. Aushilfslehrer Jack Black gibt einem Schlagzeug-Schüler das Rush-Album 2112 (1976) und sagt: ‘Neil Peart, one of the great drummers of all time – study up’. Mehr Rush in der Komödie Trauzeuge gesucht! (2009). Die zwei Hauptfiguren, Peter Klaven (Paul Rudd) und Sydney Fife (Jason Segel) entdecken dass sie beide Rush-Fans sind – und spielen ein Cover von ‘Tom Sawyer‘. Rush selber spielten das Lied mit einem Intro von der Cartoon-Serie South Park

Apropos Rush-Coverversionen Es gibt u. a. Rush-Cover von Dream Theater und Foo Fighters, aber meine Favoriten sind die Rush-Cover Tears von Alice in Chains, und YYZ von Primus und Soliloquy von Chris Cornell

Meine Empfehlungen für Rush-LPs Ich mag alle im obigen Artikel erwähnten Sachen, und vieles mehr von Rush, empfehle aber speziell meine zwei Lieblings-LPs Moving Pictures (1981) und Power Windows (1985)

Neu! – Rush: Autobiografie von Sänger & Bassist Geddy Lee Hier unser Artikel über ‘My Effin’ Life’ (2023)

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